Posturales Tachykardiesyndrom
Synonym: posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom
Definition
Als posturales Tachykardiesyndrom, kurz POTS, wird das Auftreten eines inadäquaten Herzfrequenzanstiegs (> 30/min) ohne Blutdruckabfall im Rahmen einer Orthostase bezeichnet.
Hintergrund
Das posturale Tachykardiesyndrom wird in der Literatur kontrovers diskutiert, da die Diagnosekriterien uneinheitlich definiert sind und per se keine ausreichende Abgrenzung von anderen Krankheitsbildern ermöglichen.[1]
Epidemiologie
Die Erkrankung betrifft vor allem Frauen, der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 15. und dem 50. Lebensjahr.
Ätiologie
Die genaue Ätiologie der Erkrankung ist bisher (2023) ungeklärt. Es kann zwischen einem primären oder idiopathischen und einem sekundären POTS, z.B. im Rahmen eines Diabetes mellitus, unterschieden werden.
Pathophysiologie
Nach einem Positionswechsel vom Liegen zum Stehen tritt innerhalb von etwa zehn Minuten ein Herzfrequenzanstieg um mindestens 30/min auf. Ein alternatives Kriterium ist das Vorliegen einer absoluten Herzfrequenz von > 120/min. Ursache ist wahrscheinlich eine Dysfunktion des autonomen Nervensystems, auch als Dysautonomie bezeichnet. Konsekutiv kann es zu einer zerebralen Minderperfusion mit Synkopen kommen.
Symptome
Die Symptome des POTS sind häufig unspezifisch und in manchen Fällen nicht ausschließlich positionsabhängig. Typisch ist eine orthostatische Intoleranz mit Schwindel, Benommenheit, Palpitationen, Tremor und Schwäche. Zusätzlich können Belastungsintoleranz, Dyspnoe, Hyperventilation, Schwitzen, Brustschmerzen, Sehstörungen und Angstgefühle vorliegen. Eine Bewusstlosigkeit tritt nur selten auf.
Diagnose
Relevant sind vor allem die anamnestischen Angaben sowie die Durchführung eines Kipptischversuchs und/oder Schellong-Tests. Hier lässt sich ein Frequenzanstieg, aber kein relevanter Blutdruckabfall (> 20 mmHG systolisch oder > 10 mmHG diastolisch) feststellen.
Therapie
Bei einem sekundären POTS wird die Grunderkrankung therapiert.
Das primäre POTS hat eine hohe Spontanheilungsrate (ca. 50% in 1 bis 3 Jahren). Der Patient sollte darüber aufgeklärt werden, dass es sich um kein schwerwiegendes Krankheitsbild handelt. Die Befolgung allgemeiner Verhaltensmaßnahmen bringt meist eine deutliche Verbesserung der Symptomatik mit sich. Dazu zählen:
- ausreichende Flüssigkeitszufuhr (2-2,5 l/d) und Salzzufuhr (5-10 g/Tag)
- Vermeiden von übermäßiger Bettruhe und körperlicher Schonung
- langsames Aufstehen aus dem Sitzen und Liegen
- häufige kleine Mahlzeiten anstatt einer großen Mahlzeit
- Vermeidung von langem ruhigem Stehen, vor allem in warmer Umgebung und bei hoher Luftfeuchtigkeit
- Ausdauertraining (30 bis 45 min, 3 x pro Woche)
- Beinkreuzen oder Muskelanspannung im Stehen
Im Falle einer Persistenz der Symptomatik können off-label Betablocker, Ivabradin, Midodrin und Fludrocortison eingesetzt werden.
Literatur
- Diehl R. et al., Synkopen, S1-Leitlinie, 2020, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien, abgerufen am 2.11.2023)
Quellen
- ↑ Olshansky B, Cannom D, Fedorowski A, Stewart J, Gibbons C, Sutton R, Shen WK, Muldowney J, Chung TH, Feigofsky S, Nayak H, Calkins H, Benditt DG. Postural Orthostatic Tachycardia Syndrome (POTS): A critical assessment. Prog Cardiovasc Dis. 2020 May-Jun;63(3):263-270. doi: 10.1016/j.pcad.2020.03.010. Epub 2020 Mar 25. PMID: 32222376; PMCID: PMC9012474.