Bloch-Sulzberger-Syndrom
Synonyme: Incontinentia pigmenti, IP, Melanoblastosis cutis, Incontinentia pigmenti Bloch-Sulzberger
Definition
Das Bloch-Sulzberger-Syndrom, auch unter dem Namen Incontinentia pigmenti bekannt, ist eine selten auftretende X-chromosomal-dominant vererbte Dermatose, die auf Mutationen im IKBKG-Gen zurückzuführen ist.
- ICD-Code: Q82.3
Epidemiologie
Pathogenese
Das Bloch-Sulzberger-Syndrom wird durch eine Mutation (meist eine Exondeletion) im IKBKG-Gen an Genlokus Xq28 verursacht. Die Krankheit folgt einem X-chromosomal dominanten Erbgang, die meisten Fälle sind jedoch Neumutationen.
Das Genprodukt des IKBKG-Gens ist eine Untereinheit der IκB-Kinase (IKK) und damit ein NFκB-Modulator. Die IKK aktiviert normalerweise durch eine Inhibition vpn IκBα den NF-κB-Signalwegs. Dieser aktiviert verschiedene Gene, die eine wichtige Rolle in Entzündungsprozessen, Immunität, Zellüberleben oder anderen Signalwegen spielen.[3]
Durch den Vorgang der X-Inaktivierung hat jede Frau ein funktionelles Mosaik aus Zellen mit aktivem mütterlichem X-Chromosom und Zellen mit aktivem väterlichem X-Chromosom. Zellen, in denen das X-Chromosom mit der IKBKG-Mutation inaktiviert werden, sind funktionell gesund. Die Zellen, in denen hingegen das gesunde X-Chromosom inaktiviert wird, sind funktionell hemizygot und entsprechend erkrankt. Der Zelluntergang der funktionell hemizygoten Zellen führt zur Manifestation der typischen Symptome des Bloch-Sulzberger-Syndroms (z.B. Hautulzerationen). Daraus resultiert eine Verschiebung des Verhältnisses von betroffenen und gesunden Zellen im Laufe der Entwicklung zugunsten der Zellen mit aktivem normalem X-Chromosom.
Bei männlichen Feten sind alle Zellen hemizygot für die IKBKG-Mutation. Die Erkrankung ist bei ihnen daher meist pränatal letal. Ein Überleben wurde nur in seltenen Fällen beschrieben, z.B. bei sehr milden, hypomorphen Mutationen, gleichzeitigem Klinefelter-Syndrom oder bei Vorliegen eines Mosaiks.
Klinik
Die klinische Manifestation kann variabel ausfallen. Tritt ein Bloch-Sulzberger-Syndrom bei Mädchen auf, fallen bei der Geburt v.a. streifen- und mäanderförmige Hautläsionen entlang der Blaschko-Linien auf. In diesen Hautarealen ist das X-Chromosom mit dem gesunden Allel des IKBKG-Gens inaktiviert. Die Läsionen durchlaufen verschiedene Stadien:
- Stadium I (1. bis 4. Monat): bullöses Exanthem entlang der Blaschko-Linien
- Stadium II (5. bis 6. Monat): verruköse Läsionen, warzenartige Plaques
- Stadium III (7. Monat bis 12. Lebensjahr): Hyperpigmentierung, v.a. an Stamm und Gliedmaßen, kann bis zum Erwachsenenalter persistieren
- Stadium IV (bis Erwachsenenalter): Hypopigmentierung, Haarlosigkeit entlang der Blaschko-Linien, Verlust der Schweißdrüsen in den betroffenen Arealen
Die Stadien I bis III können nebeneinander bestehen, da sich das erste Stadium z.B. währen Infekten erneut entwickeln kann.
Meistens heilen die Läsionen im 3. Lebensjahrzehnt vollständig aus und verschwinden gänzlich.
Sind die Hautanhangsgebilde in die Läsionen einbezogen, kann es zu Alopezie und Onychodystrophie kommen.
Zusätzlich können extrakutane Symptome auftreten, z.B.:[1]
- Zahnanomalien
- Hypo- oder Anodontie
- verzögerter Zahndurchbruch
- zapfenförmige Fehlbildung der Zähne
- Onychodystrophie
- Alopezie
- Augenanomalien
- Mikrophthalmus
- choroidale Neovaskularisationen (CNV) mit exsudativer Ablatio retinae
- Mikrozephalie
- neonatale Schlaganfälle, möglicherweise in der Folge Epilepsie und kognitive bzw. motorische Beeinträchtigungen
Ein wiederholtes Auftreten (männlicher) Aborte ist möglich.
Diagnostik
Die Diagnose wird anhand des typischen Hautbefundes gestellt und molekulargenetisch (PCR, Sequenzierung von IKBKG) gesichert.
Histologisch finden sich je nach Stadium folgende Befunde:
- Stadium I: eosinophile Blasen
- Stadium II: Hyperkeratose, Akanthose, dyskeratotische Keratinozyten
- Stadium III: Melanin-Ablagerungen der Dermis
Therapie
Eine Kausaltherapie ist nicht verfügbar. Zu den Supportivmaßnahmen zählen die lokale Hautbehandlung, regelmäßige augenärztliche Untersuchung auf CNV sowie eine zahnärztliche und logopädische Betreuung bei Zahnanomalien.
Prognose
Die Lebenserwartung ist nicht eingeschränkt. Sofern keine Anomalien des zentralen Nervensystems vorliegen, verläuft die Entwicklung altersgerecht.
Literatur
- Schaaf und Zschocke. Basiswissen Humangenetik. Kapitel 4.6.3 X-chromosomales Mosaik, S. 85. 3. Auflage. Springer Verlag. 2018.
- kindernetzwerk.de – Bloch-Sulzberger-Syndrom, abgerufen am 08.05.2024
- omim.org – Incontinentia Pigmenti; IP, abgerufen am 08.05.2024
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 orpha.net – Incontinentia pigmenti 2019, abgerufen am 05.05.2024
- ↑ Cammarata-Scalisi et al., Incontinentia Pigmenti, Actas Dermosifiliogr, 2019
- ↑ ncbi.nlm.nih.gov – IKBKG, abgerufen am 08.05.2024